AG Berger

Forschungsschwerpunkt:

Meine noch im Aufbau befindliche Arbeitsgruppe befasst sich mit Themen der neuralen Stammzellbiologie. Wir beschäftigen uns mit der Fragestellung, wie neurale Stammzellen ihre Identität im Laufe der Entwicklung bewahren und entscheiden, zu welchem Zeitpunkt sie teilungsaktiv oder –inaktiv sind. Dies ist für den Organismus von entscheidender Bedeutung, da eine unkontrollierte Zellteilungsrate zum Beispiel zu Tumoren führen kann.
Als Modelsystem benutzen wir hierzu die larvalen Neuroblasten (lNBs, neurale Stammzellen) der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die wir mit molekulargenetischen, immunhistochemischen und zellbiologischen Methoden untersuchen.

In den letzten 15 bis 20 Jahren waren die neuralen Stammzellen von Drosophila, die Neuroblasten (NBs), eines der meistbenutzten Modelsysteme um Mechanismen der asymmetrischen Zellteilung zu untersuchen. NBs produzieren durch eine asymmetrische Teilung zwei Zellen mit unterschiedlicher Größe und Schicksal. Die größere Zelle behält die Neuroblastenidentität (sie ist selbsterneuert) und kann sich weiter asymmetrisch teilen. Die kleinere Zelle, die Ganglienmutterzelle (GMZ), dagegen bildet durch eine terminale Teilung zwei Neurone und/oder Gliazellen. Durch die mehrfache, selbsterneuernde, asymmetrische Zellteilung kann so jeder NBs eine große Anzahl an differenzierenden Nachkommenzellen produzieren.
Drei Schritte sind essenziell innerhalb der asymmetrischen Zellteilung:

  • a) in der Stammzelle werden Differenzierungsfaktoren gebildet, die halbmondförmig an den Kortex der Zelle lokalisiert werden,
  • b) die mitotische Spindel wird orthogonal zu den Proteinhalbmonden angeordnet, so dass die Differenzierungsfaktoren ausschließlich in die GMZ segregieren,
  • c) die mitotische Spindel selbst ist asymmetrisch, so dass eine kleinere, basale GMZ und einer größere, apikale NBzelle entstehen.

Alle drei Schritte werden über den hochkonservierten Par-Proteinkomplex reguliert, der auf der apikalen Seite im NB lokalisiert ist. Die segregierenden Determinanten wirken in der GMZ um dort das Entwicklungsschicksal weiter einzuschränken und Differenzierung einzuleiten. Dies geschieht zum Teil über die transkriptionelle Inhibierung von Stammzell-spezifischen Genen. Eine Reihe von Studien konnte zeigen, dass alle basalen Zellschicksalsdeterminanten auf diese Weise als Tumorsupressorgene fungieren. Somit haben wir in den letzten Jahren umfangreiche Kenntnisse über die Funktion der segregierenden Faktoren und wie diese Differenzierung anschalten erhalten. Dennoch bleiben eine Reihe spezifischer Fragen offen:

  1. Wie wird im NBs die Stammzellidentität vermittelt? Welche Faktoren sind daran beteiligt und wie wirken diese?
  2. Wie werden die Determinierungsfaktoren in der Stammzelle inhibiert, so dass diese nicht bereits im NB aktiv sind?
  3. Wie wird Zellwachstum in der Stammzelle reguliert?
  4. Wie wird die Proliferationsrate auf die jeweiligen Bedürfnisse der Entwicklungsphase angepasst?

Um Kandidatengene zu finden, die diese Mechanismen steuern, habe ich in meiner Postdoc-Phase (Juni 2008 - Oktober 2010) im Labor von Dr. Jürgen Knoblich am IMBA in Wien, eine Transkriptomsanalyse der NBs vorgenommen. Hierzu ist es mir zum ersten mal gelungen, lNBs mittels FACS in großer Stückzahl zu isolieren und anschließend mittels next generation Solexa mRNA Sequencing das Transkriptom der Zellen zu bestimmen. Diese Daten wurden anschließend mit dem Transkriptom von Neuronen (ausdifferenzierten Zellen) verglichen, um diejenigen Gene zu extrahieren, die spezifisch im NBs exprimiert sind. Auf diese Weise konnte ich eine Kandidatenliste von 50 NB-spezifischen Transkriptionsfaktoren erstellen, die potenzielle Regulatoren der Zellteilung und der Stammzellidentität darstellen. Neben Transkriptionsfaktoren konnte ich ebenfalls Transmembranproteine und Bestandteile der extrazellulären Matrix als spezifisch im NBs exprimierte Gene finden. Diese Gene könnten in Prozessen der extrazellulären Signaltransduktion eine Rolle spielen und somit die Integration Entwicklungsstadien-spezifischer Signale darstellen, über die die Proliferationsrate und das Altern der Stammzellen reguliert werden. Diese Kandidaten sollen im Weiteren auf ihre Funktion hin untersuchen.

1. Funktionelle Charakterisierung der Kandidatengene der Transkriptomanalyse
Mittels RNAi sollen die jeweiligen Kandidaten-Gene (s.o.) gezielt im NB ausgeschaltet und der Funktionsverlustphänotyp mittels immunhistochemischer Methoden beschrieben werden. Verlieren die Zellen ihre Fähigkeit zur Proliferation und ihre Stammzelleigenschaften? Der zweite Ansatz gründet auf der Annahme, dass ein positiver Regulator der Stammzellidentität und –teilung bei gesteigerter Funktion (Überexprimierung) den gegenläufigen Phänotyp erzeugt, also eine Überproliferation oder Tumorbildung. Deshalb sollen für die 30 am stärksten exprimierten Gene Überexpressionskonstrukte erzeugt, diese gezielt im NBs exprimiert und der Phänotyp mittels immunhistochemischer Methoden bestimmt werden. Die Kombination beider Ansätze wird es ermöglichen, ein Netzwerk der stammzellspezifischen Transkriptionsfaktoren zu erstellen und neue Faktoren (u.a. Transmembranproteine und Bestandteile der extrazellulären Matrix) zu identifizieren, die die Identität und Entwicklung der Stammzellen regulieren.

2. RNAi Kandidatenscreen auf Gliazell-vermittelte, proliferationssteuernde Signale
Frühere Arbeiten haben bereits gezeigt, dass Gliazellen einen entscheidenden Einfluss auf die NBs haben können. So wird das Protein Anachronism von Gliazellen sezerniert. Weiterhin fungieren Gliazellen als Blut/Hirnschranke und wirken daher als Barriere, die es den NB unmöglich machen Signale wie z.B. Hormone, die frei in der Hämolymphe flotieren, direkt aufzunehmen und spezifisch darauf zu reagieren. Ferner umschließen spezifische Gliazellen (Cell body glia) den NB im Gewebe und bilden daher eine Stammzellnische. Allerdings konnte bisher keine Funktion dieser Stammzellnische belegt werden.
Daher wollen wir einen fluoreszenz-basierten Kandidatenscreen durchführen, bei dem spezifische Faktoren in Gliazellen mittels RNAi ausgeschaltet werden und über einen GFP-Sensor die Auswirkungen dieses Gen-Knockdowns auf den NB (z.B. Überproliferation, Unterproliferation, zeitliches Muster der Proliferation) beobachtet werden kann.