Forschungsschwerpunkt:
Unsere Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Problem der zeitlichen Spezifizierung neuraler Stammzellen. Diese Zellen teilen sich in einem asymmetrischen Modus, wobei nach jeder Teilung meistens jeweils wieder eine Stammzelle und eine in der Entwicklung eingeschränktere Tochterzelle entstehen. Die prinzipiellen Typen dieser Tochterzellen hängen hierbei häufig von positionellen Informationen ab, die vorher an die Stammzellen vermittelt worden sind. In den letzten Jahren wurde immer klarer, dass Stammzellen des ZNS sehr oft zusätzlich noch eine zeitliche Identität besitzen. So generiert dieselbe Stammzelle zu frühen Zeitpunkten andere Zelltypen als in späteren Phasen. Die Reihenfolge, in denen die verschiedenen Zellen geboren werden, ist festgelegt und in der normalen Entwicklung unumkehrbar.
Um Mechanismen untersuchen zu können, die einer solchen zeitlichen Spezifizierung zugrunde liegen, steht die Zellstammbaumanalyse embryonaler neuraler Stammzellen des ZNS von Drosophila (Neuroblasten, NBs) im Mittelpunkt unserer Forschung. Die NBs in Drosophila haben den Vorteil, dass sie einzeln ansprechbar sind und Zellstammbäume mit reproduzierbarer Zelltypzusammensetzung mit festgelegter Geburtsreihenfolge generieren. So konnten wir und andere beispielsweise zeigen, dass der zeitliche Wechsel der Neuroblasten-Identität mit einem sequenziellen Wechsel der Expression bestimmter Gene korreliert, und diese tatsächlich für die jeweilige zeitliche Identität verantwortlich sind.
Unsere Forschungsprojekte zielen darauf ab, einerseits den Wirkmechanismus der zeitlichen Spezifizierungsfaktoren und anderseits ihre Aktivitätsregulation zu verstehen.
1. Struktur-Funktionsanalyse der Zinkfinger-Transkriptionsfaktoren Hunchback und Krüppel im Hinblick auf ihre Rolle bei der zeitlichen Spezifizierung embryonaler Neuroblasten in Drosophila melanogaster
Bei den embryonalen Neuroblasten von Drosophila wird die zeitliche Information über verschiedene Transkriptionsfaktoren vermittelt, die sequenziell in einer festgelegten Reihenfolge exprimiert werden. Die ersten Faktoren sind hierbei Hunchback (Hb) und Krüppel (Kr), wobei Hb das erste und Kr das zweite Zeitfenster spezifiziert. Voraussetzung für die Aktivität der zeitlichen Spezifizierungsfaktoren ist, dass der jeweilige Neuroblast sich auch im entsprechenden Kompetenzfenster befindet, das ihm erlaubt, die jeweilige zeitliche Information umzusetzen. Das langsame Schließen des Kompetenzfensters wird durch die Herunterregulation von Hb ausgelöst. Inzwischen gibt es Hinweise, dass diese Kompetenz über Proteine der sogenannten Polycomb-Gruppe vermittelt wird. Unsere Arbeiten weisen nun darauf hin, dass die initiale Offenhaltung des Kompetenzfensters nicht von Hb allein, sondern stattdessen über eine synergistische Aktivität mit dem coexprimierten Kr-Protein erfolgt. Um den molekularen Mechanismus der zeitliche Regulation der NB-Kompetenz besser zu verstehen, führen wir in diesem Projekt eine Struktur-Funktionsanalyse mit den Proteindomänen von Hb und Kr durch.
2. Untersuchungen zur Kernlokalisation der seven-up und castor mRNA in embryonalen Neuroblasten von Drosophila melanogaster.
Wie bereits oben erwähnt ist Hunchback der erste Faktor in der zeitlichen Spezifizierungskaskade. Anders als bei den anderen Spezifizierungsgenen wird die Expression dieses Gen nur bei erfolgter Mitose abgeschaltet. Wie wir und andere zeigen konnten, erfolgt dies über die Aktivität des Zinkfingertranskriptionsfaktors Seven-up, dessen mRNA bereits vor der regulierenden mitotischen Teilung exprimiert, aber zunächst im Kern zurückgehalten und erst nach der Mitose exportiert bzw. freigesetzt wird. Interessanterweise gilt dies auch für die mRNA des castor-Gens (cas), welches ebenfalls als zeitliches Spezifizierungsgen in der späten Phase der NB-Proliferation fungiert. Zurzeit arbeiten wir daran, herauszufinden, warum diese beiden mRNAs nicht über den normalen mRNA-Exportweg aus dem Kern ausgeschleust werden. Hierzu werden gegenwärtig eine große Anzahl verschiedener Konstrukte im embryonalen ZNS bzw. Zellkulturzellen exprimiert und das Schicksal der von uns modifizierten mRNA untersucht. Im weiteren Verlauf der Arbeiten sollen dann Faktoren identifiziert und charakterisiert werden, die an dem Kernrückhaltemechanismus beteiligt sind.